◼ Das Projekt
Das Wesen und die Rolle des Quadrates in der Bildenden Kunst ausloten. Seinen besonderen Charakter beleuchten und verproben. So in etwa (oder auch ganz anders) könnte man das Ziel dieses Projektes beschreiben. Eine Art Standortbestimmung.
"OK" mögen Sie jetzt denken und auf Stichwort galoppiert die Frage nach dem Warum über die Bühne. Ist doch alles gesagt.
Nicht wirklich. Seit einigen Jahren arbeite ich künstlerisch nur noch mit dem quadratischen Bildformat. Was Anfangs eine Bauchentscheidung war, weil ich mich im Quadrat wohler fühle als in jedem anderen Format, wurde mit der Zeit fast zur Obsession und ist sogar in meine kommerziellen Arbeiten eingeflossen.
Die Frage, was mich so sehr an diesem Rechteck mit den vier gleich langen Seiten fasziniert, hat mich schließlich dazu bewogen, einen systematischen Zugang zu suchen. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass das Quadrat als kunsthistorisch junge Erscheinung erst beginnt, seinen Einfluss auf die Kunst und die kollektive Übereinkunft von Ästhetik zu entfalten.
Tatsächlich erlangt das Quadrat erst seit den 1950ern an Bedeutung, auch wenn Pioniere wie Kasimir Malewitsch in der bildenden Kunst oder Sergei Eisenstein im Kinofilm bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtungweisend damit gearbeitet haben. Als Filmformat hat das Quadrat sogar erst seit rund 10 Jahren Präzedenzen größerer Sichtbarkeit. Die Filme "Mommy" von Xavier Dolan (2014) und die Serie "Homecoming" von Sam Esmail (2018) sind die ersten Produktionen, die das 1:1-Format zum Stilmittel erhoben haben. Extrem spannend: Beide Regisseure kamen aus gänzlich unterschiedlichen Gründen zu ihrer Entscheidung.
Das Undenkbare denken
Die ersten Recherchen führten mich immer wieder zu Kasimir Malewitsch und seinem schwarzen Quadrat. Ein Geniestreich, keine Frage: 1915, in einem politischen, sozialen und kulturellen Klima, das wir uns heute kaum noch vorstellen können, hat Malewitsch das Undenkbare gedacht, das Unmalbare in Bilder gefasst. Es hat mich nur geärgert, dass das schwarze Quadrat die Ergebnisse der Suchmaschinen derart dominiert. Ich hatte den Eindruck, dass andere wertvolle Informationen zum Quadrat in der Bildenden Kunst seinetwegen zur Nadel im digitalen Heuhaufen mutieren.
Erst mit zunehmendem Überblick habe ich verstanden, dass es zum Quadrat in der Bildenden Kunst tatsächlich wenige und dazu noch stark fragmentierte Quellen gibt. Selbst Kunstschulen handeln das Quadrat in ihrer öffentlich zugänglichen Literatur eher am Rande ab. Andere Fundstellen bedauern lediglich, dass sich das Quadrat dem goldenen Schnitt verweigere (was je nach individueller Auslegung richtig sein mag oder auch nicht). In einem ansonsten umfangreichen Blog zu Bildformaten schließlich "Das Quadrat hat eine gewisse Geschlossenheit". Punkt.
Der Verfasser des Blog soll mit dem Zitat nicht herabgewürdigt werden. Ich verstehe es als Ausdruck von Ratlosigkeit und letztendlich als eines von vielen Indizien dafür, dass das Quadrat in der Bildenden Kunst noch unerschlossene Potentiale hat. Diese Lücke will ich mit dem Quadrat-Projekt ein Stück weit füllen oder wenigstens die Diskussion dazu anregen.
Ich freue mich über Rückmeldungen, Fragen, Widerspruch, Anregungen, Diskussion. Bedanken möchte ich mich bei der Hessischen Kulturstiftung, die das Projekt unterstützt und damit erst ermöglicht hat.