Subjektivierung
Am Beispiel des schwarzen Quadrates von Kasimir Malewitsch wird deutlich, dass es sich beim Konzept von Innen und Außen nicht um eine kunsthistorische Zeitreihe handelt, sonst müsste das Quadrat weiter links am Anfang stehen. Tatsächlich aber verortet es in der Mitte der Skala. Da wo es beginnt, die erkennbaren Züge eines Subjekts, einer Entität zu tragen. Aus meiner zugegeben sehr persönlichen Sicht ist das schwarze Quadrat auf dem Sprung, die es tragende Bildfläche zu verlassen und selbstbestimmt zu agieren.
Zurück zur Serialisierung: Vier Farbquadrate im Microsoft-Logo, die jedes individuell für einen Geschäftsbereich, für eine Produktlinie oder was auch immer stehen, verbinden sich zu einem größeren Ganzen. In diesem Fall zur Dachmarke, ohne für diese Gemeinsamkeit ihre Individualität aufzugeben. Ähnlich verhält es sich im Werk von Rolf-Gunter Dienst, als Beispiel „Scaramouche VI“. 36 Quadrate im Raster 9 x 4. Bei aufmerksamer Betrachtung wiederholt sich keine Farbe, jedes einzelne Quadrat hat seine eigene Farbigkeit, seine eigene Persönlichkeit und behält sie auch im Gesamtwerk.
Es bedarf persönlicher Stärke und Souveränität, sich als Individuum in einen übergeordneten Kontext zu stellen, ohne mit den anderen Beteiligten in einen Wettstreit um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu treten. Für mich zweifelsfrei: Das Quadrat hat diese innere Stärke, die es ihm erlaubt, Zurückhaltung zu üben, ohne zwanghaft "seinen Platz" behaupten zu müssen.
Aus anderem Blickwinkel betrachtet, wird im geometrischen Raster aus persönlicher Souveränität jedoch Unterwerfung, der Verlust der Indiviualität. Ich denke dabei spontan an Bilder von Militärparaden, bei denen hunderte Menschen im choreografierten Stechschritt den Herrschenden auf der Ehrentribüne huldigen. Der Vergleich hinkt vordergründig, weil bei Anwendung militärischer Weltsicht alle Objekte im Werk dieselbe Größe und Farbe, sprich Uniform hätten. Tatsächlich geht es um das Raster selbst. Es ist subtiler als die Uniformität, aber nicht minder wirkmächtig.
Ich möchte damit zu denken geben, dass soziale Heuristiken wie die "An-Ordnung" von Bildelementen im Raster sehr viel mehr an kollektiven Glaubenssätzen transportieren, als einer gefühlten Mehrheit der am Kunstprozess Beteiligten (von der Schaffung eines Werkes bis hin zu dessen Rezeption) bewusst sein dürfte. Im aktuellen Zeitbezug: Menschen, die nicht "in's Raster" passen, wird zu oft mit stillem Unbehagen oder Misstrauen begegnet, in manischer oder demagogischer Übersteigerung dessen mit Hass bis hin zu verbaler und physischer Gewalt. Nochmals: Ich will Raster als Ordnungssystem nicht in Frage stellen, ich appelliere für mehr Achtsamkeit und Selbstreflektion im Umgang mit dem kollektiven Unterbewusstsein.