QUADRAT Eine durchaus subjektive Betrachtung

Reduktion

Eine für die Entwicklung des Quadrates indizienhafte Veränderung habe ich lange übersehen, womöglich wegen ihrer werblichen Omnipräsenz, die sie der bewussten Wahrnehmung entzieht: 2012 hat Microsoft sein Logo nach Jahrzehnten der Stabilität erneuert. Vier monochrome Quadrate, angeordnet im virtuellen Quadrat. Konstruktivistisch, formal, abstrakt. Im Microsoft-Logo findet sich damit ein weiterer gestalterischer Aspekt des Quadrates, die Serialisierung, die Anordnung in Rastern. Vielfach zu finden in der bildenden Kunst, in den seriellen Ordnungen von Richard Paul Lohse etwa, in den digitalen Serien von Vera Molnár oder den geometrischen Feldern von Rolf-Gunter Dienst.


Alle genannten Beispiele haben gemeinsam, das wir von monochromen Quadraten sprechen. Pure Farbmasse, keine bildhaften Details, kein malerischer Duktus. Um diese Verdichtung, die radikale Reduktion eines Bildinhaltes verstehen zu können, oder besser noch, sie spürbar zu machen, gibt es ein Gedankenspiel: Der Übergang vom tradierten Rechteckformat zum Quadrat als Komprimierung, das "Zusammenschieben" der linken und rechten Ränder.


Das Gedankenspiel darf nicht naturwissenschaftlich korrekt verstanden werden wie als Beispiel die Bildkompression bei Anamorphoten, Filmobjektive, die das Kamerabild zwischen Aufnahme und Wiedergabe horizontal verdichten. Vielmehr geht es bei dem Gedankenmodell um die subjektive Farbmasse eines Bildes: Was geschieht mit der in einem Bild gespeicherten visuellen Energie, wenn es verdichtet wird?


Zuerst transformieren reale Bildinhalte in die Abstraktion, wie beispielsweise die Farbfeldmalerei von Morris Louis oder Helen Frankenthaler. Wird der Verdichtungsdruck weiter erhöht, gehen selbst diese Farbfelder in eine reine, geschlossene Farbfläche über.


In meiner Vorstellung der Komprimierung werden die flächigen Farben mit ansteigenden Farbdruck dunkler, das Bild schwerer. Surprise! Erreicht der Druck schließlich das Maximum, sind wir unvermittelt ein Jahrhundert zurück beim Schwarzen Quadrat von Kasimir Malewitsch. Schwarz als farblicher Nullzustand, so wie das Quadrat für Malewitsch die perfekte Gegenstandslosigkeit verkörperte. Für mich eine weitere und dazu noch ausgesprochen emphatische Interpretation, woher dessen Werk seine die Zeiten überdauernde Kraft bezieht.